Nach 18 Monaten

Beijing ist sich treu geblieben. Laut, lebendig, ungeduldig. Ein paar luxuriöse Hochhauskomplexe sind neu entstanden, ein paar etwas ältere fangen bereits an abzublättern. Die Bulldozer haben keine Pause gemacht, die Bar-Meile östlich der neuen US-Botschaft hat dran glauben müssen, wo ich vor einigen Jahren meine ersten Froschschenkel nach Sichuan-Art unter giftig dunkelroten Chilischoten ausgegraben hatte. Jetzt sind die Hutong-Quartiere nahe dem Gulou dran, dem imposanten Ensemble aus Trommel- und Glockenturm, einem der wenigen weithin sichtbaren Überbleibsel des alten imperialen China. Dort hatten meine deutschen Freunde T. und S. gewohnt, an einem kleinen Courtyard im Gassengewirr, überwiegend unter Chinesen, mit wenig Komfort. Ich kann verstehen, dass viele Chinesen keine besonders sentimentalen Bindungen gegenüber diesen Quartieren empfinden. Schade ist es trotzdem.

Ernte und Fragen

In den letzten zwei Tagen gab es in Dieburg Diplomkolloquien. Kluge junge Leute mit leicht geröteten Ohren haben, mal selbstbewusst, mal eher schüchtern verteidigt, was sie in den letzten drei Monaten erarbeitet haben. Wir Lehrenden stehen dabei selbst immer mit auf dem Prüfstand. Gottseidank sind die Diplomanden meist viel zu aufgeregt, um das zu merken.

Ein paar Fragen, die sich mir während der Gespräche aufgedrängt haben: Warum denken wir den Journalismus immer noch vor allem vom Angebot her und nicht vom Bedarf? Und warum lernen wir Online-Journalisten bei den Formaten immer noch vor allem vom Print, und so wenig vom Rundfunk? Warum gibt es zum Beispiel so wenig Studiogespräche? Bei meinen Besuchen in den großen chinesischen Portalredaktionen waren die TV-Studios ständig im Einsatz. Warum macht das in Deutschland kaum jemand?